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Grundgesetz: Kreuze und Gebete / Religiöse Symbole

BVerfGE (Kruzifixbeschluss vom 16. Mai 1995: BVerfGE 93,1 ff):

Das Bundesverfassungsgericht hat in dieser Entscheidung die Anbringung eines Kreuzes als Verfassungsverstoß qualifiziert. Das christliche Kreuz sei kein wirklich kulturelles Symbol, sondern das Symbol einer bestimmten Religion. Die Religionsanschauung darf nicht allen Schülern aufgedrängt werden. Hier wird ihre Negativ-Religionsfreiheit verletzt. Das bedeutet aber im Umkehrschluss, wenn alle Schüler mit dem Anbringen eines Kreuzes einverstanden sind, kann ein Kreuz im Klassenzimmer angebracht werden. Nach einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom März 2011 verstoßen Kreuze im Klassenzimmer nicht gegen die Religionsfreiheit. Es sei nicht bewiesen, dass ein Kreuz trotz seiner religiösen Symbolhaftigkeit wirklich Einfluss auf die Schüler habe. Allerdings stellte der EGMR deutlich hervor, dass er die Entscheidung des Starken auf dem Gebiet zu respektieren habe. Das Auf- oder Abhängen der Kreuze wird in das Ermessen der jeweiligen Mitgliedsstaaten des Europarates gestellt. Dieses Urteil stellt nur fest, dass das Kreuz in staatlichen Schulen in Einklang mit der Menschenrechtskonvention steht. Das schließe indes nicht aus, dass die nationalen Verfassungsgerichte in Auslegung der nationalen Grundrechte zu anderen Ergebnissen kommen und eine weitergehende Neutralitätspflicht vom Staat verlangen.

Kopftuchentscheidung des Bundesverfassungsgerichts
(BVerfGE 108, 282=NJW 2003, 3111ff:)

Die Religionsfreiheit beinhaltet das Recht, sein Leben nach den Grundsätzen der jeweiligen Kirche oder Religionsgemeinschaft auszurichten. Daraus folgt, dass jedermann auch das religiöse Bekenntnis zeigende Bekleidung tragen darf (also die Frau auch das islamische Kopftuch). Bei Lehrerinnen ist jedoch zu sehen, dass sie Repräsentanten des demographischen Rechtsstaates sind und daher auch Einschränkungen hinnehmen müssen. Die Ausübung der Religionsfreiheit durch Staatsbeamte stößt auf verfassungsimmanente Grenzen, wenn sie mit der Religionsfreiheit von Schülern und Eltern, mit dem elterlichen Erziehungsrecht oder dem Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schule nicht in Einklang zu bringen ist. Das Verbot von Kleidung, die die religiöse Zugehörigkeit kennzeichnet, stellt eine zulässige Konkretisierung der Dienstpflichten dar. Das Verhalten der staatlichen Beamten darf die Neutralitätspflicht nicht verletzen. Die religiöse Überzeugung darf zwar von staatlichen Beamten erkannt werden, durch die Neutralitätspflicht werden ihr aber Grenzen gesetzt. Allerdings hält das BVerfG es für notwendig, dass der Landesgesetzgeber das zulässige Ausmaß religiöser Bezüge in der Schule durch Gesetz regelt.

Kopftuchentscheidung des BVerfG,
Beschluss vom 27.1.2015 – 1 BvR 471/10, NJW 2015, 1359:

Lehrerinnen an öffentlichen Schulen darf nicht pauschal untersagt werden, ein muslimisches Kopftuch zu tragen, da dies ihre Glaubens- und Bekenntnisfreiheit verletzt. Nur bei einer hinreichend konkreten Gefahr der Beeinträchtigung des Schulfriedens oder der staatlichen Neutralität ist ein Verbot gerechtfertigt. Äußere religiöse Bekundungen können für eine gewisse Zeit unterbunden werden, wenn es sich um bestimmte Schulen oder Schulbezirke mit religiösen Konfliktlagen handelt. Die Privilegierung zu Gunsten der Darstellung christlicher und abendländischer Bildungs- und Kulturwerte oder Traditionen verstößt gegen Art. 3 Abs. 3 S. 1, 33 Abs. 3 GG und ist verfassungswidrig.

BVerwG Az_6C20.10 Entscheidung vom 30.11.2011 zum Gebet:

Die Glaubensfreiheit einer Schülerin oder eines Schülers aus Art. 4 Abs. 1+2 GG berechtigt ihn grundsätzlich, während des Besuchs der Schule außerhalb der Unterrichtszeit ein Gebet zu verrichten. Diese Berechtigung findet ihre Schranke in der Wahrung des Schulfriedens. Die Erfüllung des staatlichen Erziehungs- und Bildungsauftrags nach Art. 7 Abs. 1 GG setzt voraus, dass der Schulfrieden gewahrt ist. Damit ist ein Zustand der Konfliktfreiheit und –bewältigung gemeint, der den ordnungsgemäßen Unterrichtsablauf ermöglicht, damit der staatliche Erziehungs- und Bildungsauftrag verwirklicht werden kann. Der Schulfrieden kann auch durch religiös motiviertes Verhalten beeinträchtigt werden. Der religiöse Schulfrieden ist ein Schutzzweck von herausragender Bedeutung. Die Vermeidung religiös weltanschaulicher Konflikte in öffentlichen Schulen stellt ein gewichtiges Gemeinschaftsgut dar. Nach den tatsächlichen Feststellungen über die Verrichtung des Gebets auf dem Schulhof, mit vielen unterschiedlichen Konfessionen der Schüler und schon aufgetretenen Konfliktlagen würde deshalb eine ohnehin bereits bestehende konkrete Gefahr den Schulfrieden weiter verschärfen. Daher wurde in dem konkreten Fall das Gebet untersagt.