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Sonstige: Missio Canonica

Brief des Deutschen Katecheten-Vereins an alle, die nach der
MISSIO CANONICA
fragen, um katholischen Religionsunterricht zu erteilen

Sehr geehrte Damen und Herren!

Sie haben Theologie studiert und dadurch die wissenschaftlich-fachlichen und didaktisch-methodischen Voraussetzungen erworben, in der öffentlichen Schule „Religion“ zu unterrichten. Ihre Qualifikationen belegen das. Sie wissen aber auch, dass damit noch nicht alle Bedingungen erfüllt sind, um als Religionslehrerin und Religionslehrer tätig zu werden. Ihnen fehlt dafür noch die kirchliche Beglaubigung, Beauftragung, Zustimmung – oder wie immer Sie den kirchenrechtlichen Fachausdruck Missio canonica übersetzen mögen.

Vermutlich haben Sie sich schon zu Anfang Ihrer Religionslehrerausbildung oder in deren Verlauf immer wieder einmal gefragt: Auf was lasse ich mich da ein? Bin ich der Aufgabe gewachsen, jungen Menschen die Dimensionen des Religiösen erschließen zu helfen und ihnen den christlichen Glauben so zu verdeutlichen, dass sie ihn als einladende Lebensperspektive für sich erkennen können?

Sie sind nicht weltfremd. Sie wissen, dass die christliche Lebenseinstellung in unserer pluralen Gesellschaft weder die einzige noch auch nur eine allseits akzeptierte Option darstellt. Alles Kirchliche wird heutzutage kritisch angesehen. ,,Und da soll ich mich festlegen, als Vertreter der Kirche in der Schule zu fungieren? Mich mit der Kirche identifizieren?“– so werden Sie sich vielleicht zusammen mit anderen in Ihrer Umgebung fragen. Denn, ob wir wollen oder nicht, wir werden als Vertreter nicht nur der Theologie oder des Evangeliums, sondern auch der Institution Kirche eingestuft. Die Missio canonica bestätigt das.

Der Deutsche Katecheten-Verein (dkv) ist eine freie Initiative auf dem Boden der Kirche. In ihm haben sich ca. 9.000 Religionslehrerinnen und Religionslehrer, Katecheten und Katechetinnen zusammengeschlossen, um die Belange der Glaubensvermittlung an allen Lernorten zu fördern und sich dabei gegenseitig so viel wie möglich zu helfen. Mit diesem Brief möchten wir Ihnen Informationen und Gedankenanstöße geben in der anstehenden freien Entscheidung zum Erwerb der Missio canonica.

Wechselseitige Solidarität

Für unseren Dienst in der Schule ist nach wie vor maßgeblich der Beschluss zum „Religionsunterricht in der Schule“, den die Gemeinsame Synode der Bistümer in der Bundesrepublik Deutschland 1974 in Würzburg mit überwältigender Mehrheit verabschiedet hat. Dort wird zur Missio canonica gesagt: „Ein vertrauensvolles Verhältnis zwischen den Religionslehrern und den kirchlichen Amtsträgern ist wichtig … In der Lehrbeauftragung des Religionslehrers nimmt der Bischof im Namen der Kirche den angebotenen beruflichen Dienst des Religionslehrers an; zugleich mit diesem Auftrag wird so die Solidarität der Kirche mit dem Religionslehrer und des Religionslehrers mit der Kirche bekundet.“ (3.6)

Die hier formulierte Gegenseitigkeit ist ausschlaggebend. Von Gegenseitigkeit lebt ja Kirche insgesamt. Alle Gaben des Heiligen Geistes in ihr sollen einander ergänzen. Denn die Begabungen aller tragen dazu bei, die Kirche Zeichen und Werkzeug für die Vereinigung mit Gott wie die Einheit der ganzen Menschheit sein zu lassen (Vat II, Lumen gentium 1).

Die Missio canonica ist somit Ausdruck für Vertrauen, für wechselseitige Wertschätzung und das Einstehen füreinander. Darauf dürfen Sie sich verlassen; darauf hat sich mit dem Synodenbeschluss auch die ,,amtliche“ Kirche festgelegt. Mit der kirchlichen Beauftragung drückt der Bischof seine Solidarität mit den Religionslehrerinnen und Religionslehrern aus. Er nimmt die gegebene Zusage, diesen Auftrag gewissenhaft zu erfüllen und den damit verbundenen Anforderungen an die eigene Person nach Kräften zu entsprechen, dankbar an. Im Namen der Kirche gibt er seiner Bereitschaft Ausdruck, Sie bei der Erfüllung Ihrer Aufgabe zu begleiten und Ihnen durch seine religionspädagogischen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen Anregung und Hilfe zukommen zu lassen (Schulabteilungen, Katechetische Institute, Arbeitsgemeinschaften u.v.a.m.). Im Vordergrund steht folglich die Bekundung des Vertrauens, der Dankbarkeit und der Hilfe. Die „Förderung“ geht den „Forderungen“ voraus! Der Bischof verbindet mit der kirchlichen Beauftragung die Bitte um den Segen Gottes. Dadurch wissen sich die Religionslehrkräfte in ihrem schulischen Auftrag, der in den Sakramenten Taufe und Firmung grundgelegt ist, bestärkt und ermutigt.

Wohl in keinem anderen Fach gibt es so viel Unterstützung. Hinzu kommen noch die Impulse aus den freien Zusammenschlüssen und Verbänden der Religionslehrerschaft, aus ihren Zeitschriften und Tagungen zum Beispiel. So sind Sie wirklich nicht alleingelassen mit Ihrer Aufgabe, „Religion“ zu unterrichten.

Gegenseitige Erwartungen

Was wird von Ihnen erwartet, wenn Sie die Missio canonica beantragen?

Da nach unserem Grundgesetz (Art. 7) Religionsunterricht „in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften“ erteilt wird, lautet die Kurzformel, die sich eingespielt hat: Der Religionslehrer ist bereit, „den Religionsunterricht in Übereinstimmung mit der Lehre und den Grundsätzen der Katholischen Kirche zu erteilen; er beobachtet in der persönlichen Lebensführung die Grundsätze der Katholischen Kirche.“

Um den Vorgang so durchsichtig wie möglich zu machen, gibt es seit 1973 „Rahmenrichtlinien zur Erteilung der Missio canonica“ von der Deutschen Bischofskonferenz (deren Kernsatz gerade zitiert wurde) und entsprechende Missio-Ordnungen in den Diözesen. Falls Sie darüber genauere Auskünfte benötigen, fordern Sie diese bitte bei der Schulabteilung Ihrer Diözese an.

Sie sollen wissen, dass es sich dabei zunächst einmal um rechtliche Regelungen handelt. Glaubwürdigkeit, Vertrauen, guten Willen kann man nicht von Rechts wegen einfordern oder überprüfen. Überprüfbar ist aber beispielsweise, ob Sie in einer kirchlich gültigen Ehe leben, ob Ihre Kinder getauft sind und ob Sie in einer Gemeinde beheimatet sind.

Zu den beiden erstgenannten Kriterien: Wie sollen bei der Missio-Erteilung Personen behandelt werden, die in einer Glaubenskrise stecken bzw. deren Lebensführung von kirchlichen Prinzipien abweicht? Kann man diesen „Fällen“ mit ausschließlich rechtlichen Kriterien gerecht werden?

Wir vom dkv plädieren angesichts solcher Situationen für Respekt und eine behutsam differenzierende Sicht, wie sie in einem gegenseitig-vertrauensvollen Gespräch gewonnen werden kann. Wir bitten die kirchlich Verantwortlichen, über Verweigerung oder Entzug der kirchlichen Beauftragung immer erst nach solchen Einzelgesprächen zu entscheiden. Das Beratungsgespräch soll dem Bemühen dienen, zu einer beiderseits verantwortbaren Gewissensentscheidung zu gelangen. Wir dürfen uns dabei Gott sei Dank auf das Hirtenwort der drei oberrheinischen Bischöfe ,,Zur seelsorglichen Begleitung von Menschen aus zerbrochenen Ehen, Geschiedenen und wiederverheirateten Geschiedenen“ berufen. Dabei dürfte die Frage entscheidend sein, ob angesichts einer belasteten Biographie, die eine persönliche Bewältigung erforderlich macht, die Glaubwürdigkeit wirklich Schaden genommen hat. Darüber ist miteinander zu reden. In solchen Konfliktfällen muss sich erweisen, ob die Basis des kirchlichen Verfahrens tatsächlich gegenseitiges Vertrauen ist. Die kirchliche Beauftragung darf Religionslehrerinnen und Religionslehrer nicht nur in Pflicht nehmen, sie muss sie auch schützen und tragen. Sie darf ihnen unseres Erachtens nicht schon deshalb entzogen werden, weil sie nach dem Scheitern ihrer Ehe wieder heiraten.

Mit der Beschränkung auf das rechtlich Relevante ist Ihr Gewissensbereich weitgehend geschützt. Manche Diözesen fügen den Formularen zur Beantragung der Missio eine Kopie des Abschnittes 2.8 des Synodenbeschlusses bei. Er handelt vom Religionslehrer. Was hier in sieben Punkten gesagt ist, kann Ihnen zur Gewissenserforschung dienen. Eine zentrale Aussage lautet: „Die Bindung des Religionslehrers an die Kirche erfordert gleichzeitig ein waches Bewusstsein für Fehler und Schwächen sowie die Bereitschaft zu Veränderungen und Reformen. Darin liegt Konfliktstoff. Die Bindung kann daher nicht die Verpflichtung auf ein verklärtes, theologisch überhöhtes Idealbild der Kirche beinhalten. Die Spannung zwischen Anspruch und Realität … darf nicht verharmlost und schon gar nicht ausgeklammert werden. Liebe zur Kirche und kritische Distanz müssen einander nicht ausschließen. Sie stehen zueinander in einem ausgewogenen Verhältnis, wenn mit der Kritikfähigkeit Hörbereitschaft und selbstloses Engagement wachsen“ (2.8.5).

An dieser Stelle ist vielleicht auch der Hinweis erlaubt, dass das Grundgesetz zum Schutz des Gewissens des einzelnen ausdrücklich vorsieht, dass eine beamtete Lehrkraft ohne berufliche Benachteiligung auf die Ausübung des erlernten Faches „Religion“ verzichten kann (GG 7,3: „Kein Lehrer darf gegen seinen Willen verpflichtet werden, Religionsunterricht zu erteilen“).

Beheimatung in der Gemeinde

Neben solchen Fragen, von denen nicht alle betroffen sind, gibt es noch die nach der konkreten Beheimatung in einer Gemeinde, – eine Frage, die alle angeht.

Grundsätzlich gilt unseres Erachtens: Christliche Zeugenschaft bedarf der Weggemeinschaft, der Verbundenheit mit Menschen, die sich ebenfalls um ein Leben nach dem Evangelium bemühen. Dieser Bezug findet seinen konkreten Ausdruck im Hören der biblischen Botschaft, in der Pflege einer persönlich-gläubigen Spiritualität, in der Feier der Sakramente und in der Sorge für die Menschen. Die Teilnahme an den Lebensvollzügen einer christlichen Gemeinde gibt den Religionslehrern Impulse für ein christliches Leben und vermag sie vor der Verkümmerung ihres Glaubens und vor der Versandung des religiösen Lebens zu bewahren.

Auch hier ist jedoch das Verhältnis wechselseitig zu sehen. Denn auch die Gemeinde bedarf der Erfahrungen und Anregungen der Religionslehrerinnen und Religionslehrer, weil gerade sie täglichen Kontakt zu jungen Menschen und damit Kenntnis von deren Einstellung zu Religion, zu Glaube und Kirche haben. Ihre Einsichten und Erfahrungen sind für die Gemeinden von unverzichtbarem Gewinn. Umso mehr müssen sie mit der Solidarität der Kirchengemeinden und der Religionslehrerinnen und Religionslehrer vor Ort rechnen können.

Bezug zur Gemeinde kann sich in verschiedenen Formen entwickeln. Für die einen ist die Pfarrgemeinde am Ort ein sie tragender Orientierungsgrund. Andere fühlen sich eher dort hingezogen, wo sie von Liturgie, Verkündigung oder dem Dienst der Fürsorge und Mitsorge nachhaltig angesprochen werden. Es bilden sich aber auch basiskirchliche Gruppen und Personalgemeinden, denen sich Christen und Christinnen anschließen, weil sie hier eine besondere Aufmerksamkeit für Herausforderungen verspüren, die sich aus dem Evangelium für die Gegenwart ergeben.

Sehr geehrte Damen und Herren,

gerade die letzten Gesichtspunkte zeigen Ihnen: Die Praxis der Missio canonica steht auch für ein bestimmtes Konzept von Religionsunterricht, bei dem Religion und Glaube nicht nur ein Gegenstand des Unterrichts sind, sondern auch den Standort derer bestimmen, die ihn erteilen. Zu einem konfessionellen Religionsunterricht gehört die in Wort und Handeln ablesbare Identität dessen, der den christlichen Glauben im Unterricht zugleich bezeugt und bedenkt. „Erst in der Begegnung mit einer Person“, sagt unser Synodenbeschluss (2.8.2), „die sich entschieden und eine Glaubensposition für sich verbindlich gemacht hat, erfährt der Schüler, dass religiöse Fragen den Menschen vor eine Entscheidung stellen.“ Dies gilt im Übrigen nach unserer Auffassung auch, wenn Religionsunterricht nicht getrennt-konfessionell, sondern in gemeinsamer Verantwortung der Kirchen erteilt wird. *)

Wir wünschen jedenfalls uns und Ihnen, dass Sie nach reiflicher Überlegung zu einem klaren Entschluss kommen.

Wenn es die Entscheidung für die Missio canonica ist, freuen wir uns über jeden Mitstreiter und jede Mitstreiterin in der gemeinsamen Sache und wünschen, dass die Beauftragung Sie beflügelt und ein Berufsleben lang zu tragen vermag.

Im Namen des Deutschen Katecheten-Vereins e.V.
Marion Schöber Vorsitzende
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*) vgl. Plädoyer des dkv zum Religionsunterricht in der Schule vom September 1992, These 7; vgl. die Denkschrift der EKD, Identität und Verständigung vom Sommer 1994.