Hessisches Schulgesetz
in der Fassung vom 14. Juni 2005 (GVBl. I S. 441), zuletzt geändert durch Gesetz vom 18. Dezember 2012 (GVBl. S. 645)
§ 56
Begründung der Schulpflicht
(1) Schulpflicht besteht für alle Kinder, Jugendlichen und Heranwachsenden, die im Lande Hessen ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Ausbildungs- oder Arbeitsstätte haben.
(2) Die Schulpflicht ist durch den Besuch einer deutschen Schule zu erfüllen. Ausländische Schülerinnen und Schüler können die Schulpflicht auch an als Ergänzungsschulen staatlich anerkannten Schulen in freier Trägerschaft erfüllen, die auf das Internationale Baccalauréat oder Abschlüsse eines Mitgliedsstaates der Europäischen Union vorbereiten. Über Ausnahmen entscheidet
die Schulaufsichtsbehörde. Sie setzen einen wichtigen Grund voraus.
Bekanntmachungen und Mitteilungen des Hess. Kultusministeriums, ABI. 7/12, S. 406 f.
6. Heimschulunterricht
Gegenstand von Rechtsstreitigkeiten sind weiterhin Fragen der Schulpflicht. Dies betrifft insbesondere Eltern, die aus einem religiösen Grundverständnis heraus ihre Kinder nicht in eine öffentliche Schule schicken und stattdessen zu Hause unterrichten bzw. unterrichten wollen
(sogenanntes „home-schooling“).
Dies widerspricht den verfassungsrechtlichen und einfachgesetzlichen Vorgaben, wonach die allgemeine Schulpflicht grundsätzlich nur durch den Besuch einer Schule zu erfüllen und nicht lediglich als Unterrichtsverpflichtung definiert ist (Art. 56 Abs. 1 Satz 1 der Hessischen Verfassung, § 56 des Hessischen Schulgesetzes). Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 5. September 1986 (abgedruckt NJW 1987 S. 180, SPE n. F. 734 Nr. 8; bestätigt durch Beschluss vom 29. April 2003, SPE 3. F. 821 Nr. 2) festgestellt, dass allein der Wunsch, sein Kind nach anderen, religiös oder weltanschaulich geprägten Vorstellungen unterrichten und erziehen zu wollen, auch in Abwägung mit den Grundrechten der Gewissens- oder Glaubensfreiheit keinen Anspruch auf Befreiung von der Schulpflicht begründet. Dem folgt auch das Oberlandesgericht Frankfurt am Main, das in ständiger Rechtsprechung die Strafbarkeit dieser Form von Schulpflichtverstößen festgestellt hat (Beschluss vom 24. Juni 2002, Az.: 2 Ss 197/02; Beschluss vom 15. Juli 2004, Az.: 2 Ss 139/04).
Auch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte trägt mit der Entscheidung vom 11. September 2006 die deutsche Rechtsprechung mit (Entscheidung über die Zulässigkeit der Individualbeschwerde Nr. 35504103, http://coe.int/t/menschenrechtsgerichtshof/dokumente_auf_deutsch/volltext/entscheidungen/20060911-K.asp#TopOfPage). Insbesondere steht nach Feststellung des Gerichtshofs die Rechtslage in
Deutschland nicht im Widerspruch zu Art. 2 des Prot. Nr. 1 der Europäischen Menschenrechts-konvention (Recht auf Bildung, Achtung des elterlichen Erziehungsrechts entsprechend deren religiösen und weltanschaulichen Überzeugungen).
Anträgen auf Befreiung von der Schulbesuchspflicht ist daher regelmäßig nicht stattzugeben.